Freitag, 19. April 2013

Frühlingsgrüße aus Brüssel: Fitness-Tips für den Sixpack. Von Johanna Möhring


Wenn die Außentemperaturen steigen, preisen namhafte Männerzeitschriften turnusmäßig Bauchmuskelübungen an, um das starke Geschlecht in Erwartung baldiger Strand- oder Schwimmbadbesuche in Form zu bringen (und/ oder in Selbstzweifel zu stürzen). Seit Dezember 2011 gibt es solch zweckdienlichen Hinweise zur körperlichen Vervollkommnung auch für die Mitgliedsstaaten der europäischen Union: Im Gegenzug zu diversen Notinterventionen der Europäischen Zentralbank (EZB) wurde damals ein Maßnahmenpaket mit dem schönen Namen "Sixpack" verabschiedet, um den arg mitgenommenen Stabilitäts- und Wachstumspakt wieder aufzumöbeln, sowie makroökonomischen Ungleichgewichten vorzubeugen, beziehungsweise, diese abzubauen.

Wirtschafts- und Fiskalpolitik aller Mitgliedsstaaten, egal ob in- oder außerhalb der gemeinsamen Währung, sollen seitdem per "Europäischem Semester" aufeinander abgestimmt werden. Dass der Euro offensichtlich keinen optimalen Währungsraum bildet und eine gemeinsame Währung nicht zur Konvergenz seiner Volkswirtschaften geführt hat, kann niemand verborgen geblieben sein. Nun soll Konvergenz per Dekret erreicht werden, was mehr als nur leicht planwirtschaftlichen Zeuge trägt. Die europäische Kommission tritt hierzu, wenn nötig zusammen mit der EZB, als Fitness-Coach im Kampf gegen schwabbelige Staatsfinanzen auf. Falls Defizitziele verfehlt werden und gesamtwirtschaftliche Ungleichgewichte persistieren, drohen zumindest auf dem Papier ernsthafte Konsequenzen*.


Es bleibt leider meist bei guten Vorsätzen….

Frankreichs Präsident Francois Hollande hatte, um in Amt und Würden zu gelangen, kräftig abgespeckt. Ihn ziert jedoch weiterhin der wenig schmeichelhafte Spitzname "Flamby", nach einer beliebten Puddingmarke und dem Wortspiel "c'est du flan" (soviel wie "das ist Quatsch") - daran konnte auch die Militäroperation im Mali nichts ändern. Nach fast einem Jahr im Amt bleibt Hollandes Politik seltsam konturlos, Umfragewerte sind auf historischem Tiefstand.

Die Sozialisten wurden kraft ihres Versprechens gewählt, die Sparpolitik von Hollandes Vorgänger zu beenden und die französische Wirtschaft wieder anzukurbeln. Davon ist jedoch nicht viel zu spüren. Seit dem Wahlsieg der Sozialisten wird zwar statt von "Austerität" von "redressement des finances publiques", vom "Wiederaufrichten" der Staatsfinanzen gesprochen. Das Wirtschaftsministerium wurde zudem um einen Minister, Arnaud Montebourg und den Zusatz des wirtschaftlichen Wiederaufbaus ergänzt ("redressement productif"). Fakt ist jedoch, dass es um Frankreichs Staatshaushalt und Wirtschaft nicht gut steht. Daran sollte sich auch auf absehbare Zeit nichts ändern. Denn Frankreich hat mit strukturellen Defiziten zu kämpfen, die auf Reformunwillen von zwanzig Jahren zurückzuführen sind.

                       
              "Le changement, c'est du flan" (Der versprochene Wandel blieb leider aus)**

Am 10. April meldete sich die EU-Kommission mit einem Bericht über makroökonomische Ungleichgewichte, der auch Frankreich nicht verschonte: Chronisches Außenhandelsdefizit, mangelnde Wettbewerbsfähigkeit, steigende Lohnstückkosten, anämisches Wirtschaftswachstum, und vor allem Staatsverschuldung und staatliches Defizit, welche sich partout nicht an die vereinbarten Parameter von respektive 60% und 3% des Bruttoinlandsprodukts halten wollen.
"The need for action so as to reduce the risk of adverse effects on the functioning of the French economy and of the Economic and Monetary Union is particularly important notably given the size of the French economy." (EU-Kommission, 10 April 2013)

Diesen Bericht quittierte Bernard Cazeneuve, der Nachfolger des limogierten Budgetministers Cahuzac mit der lapidaren Aussage, man werde voraussichtlich 2014 die 3% Defizit-Grenze respektieren. Französische Wirtschaftsweise kritisierten daraufhin prompt die ihrer Meinung nach zu optimistischen Wachstumsprognosen des zugrundeliegenden Szenarios.

Frankreichs Präsident sprach es am 17. April in einer Rede vor der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris noch deutlicher aus: Antwort auf die Krise seien nicht eine extreme Sparpolitik, sondern "Glaubwürdigkeit, Nachhaltigkeit und Stabilität." Wie dies mit Staatsausgaben von jeweils 56,9% sowie einer Steuerlast von 46,5% des Bruttoinlandsprodukts zusammengehen soll, ist nicht ganz offensichtlich. Fest steht jedenfalls, dass Hollande damit kein verlässlicher Partner für Angela Merkel ist. Zwar bleibt bis jetzt die Zinsdifferenz französischer Staatsschulden zur Rendite deutscher Staatsanleihen erträglich. Es stellt sich jedoch die Frage, wie lange Frankreich auf solch privilegierte Bedingungen für die Refinanzierung seiner Staatsschulden zählen kann, da es droht, in den berüchtigten Fiskal- und Staatsschulden-Abgrund zu stürzen. 

*Sollte ein Land, gegen das ein Verfahren wegen exzessiver Defizite angestrengt wurde, keine geeigneten Schritte unternehmen, um diese abzubauen, muss es 0,2% seines Bruttoinlandsprodukts auf ein zinsbringendes Konto gutschreiben. Falls weiterhin nichts geschieht, verwandelt sich die Einlage in eine Strafzahlung. Zusätzlich werden über eine spezielle Abstimmungsprozedur im Rat der Europäischen Union automatisch Sanktionen verhängt.
**Copyright vivi mac -> speed painting

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