Dienstag, 10. März 2015

Frankreich – Bindestrich der Europäischen Union ? Von Johanna Möhring




 “Wir sind alle Griechen” - Wirklich?
(Solidaritätskundgebung mit Griechenland aus dem Jahr 2012, Photo Reuters)

Nach dem Ausgang der Parlamentswahlen in Griechenland vom 25. Januar 2015 frohlocken die linken Kräfte Europas. So auch in Frankreich: Endlich wird Europa das Joch der von Deutschland aufgezwungenen Austeritätspolitik abschütteln. Endlich werden staatliche Investitionsprogramme das Wachstum ankurbeln. Und endlich wird Frankreich bei der Gestaltung der Europapolitik wieder eine Führungsrolle einnehmen!

Michel Sapin, französischer Finanzminister, lud Anfang Februar seinen griechischen Kollegen Yanis Varoufakis nach Paris und sprach ihm seine Unterstützung zu. Frankreich müsste ein Bindegliedsfunktion zwischen griechischen und europäischen Anliegen einnehmen. Am  darauffolgenden Mittwoch, den 04. Februar, empfing François Hollande den frischgekührten Ministerpräsidenten Alexis Tsipras mit allen Ehren im Elysée Palast. Der französische Präsident erinnerte an europäische Regeln und Verpflichtungen, zeigte sich aber bereit, ganz wie François Mitterrand seinerzeit mit Andreas Papandreou, die Griechen bei der Suche nach einer europäischen Lösung der griechischen Schuldenfrage zu unterstützen.

...Zum Anstecken

Doch kann Frankreich aktuell tatsächlich eine alternative Position in der EU einnehmen? Dagegen spricht allerhand: Der gemeinsame Kurs der EU in Sachen Wirtschafts- und Währungsunion, die aktuelle französische Wirtschaftspolitik, und nicht zuletzt die Selbstwahrnehmung Frankreichs als führendes Land Europas. Zusammengenommen eine enorme Menge an investiertem politischem Kapital, das man getrost als „sunk costs“, versunkene Kosten, bezeichnen kann.

Hinsichtlich seiner Wirtschafts- und Finanzpolitik ist Frankreich fest in die kommunautäre Architektur einer gemeinsamen Wirtschafts- und Währungspolitik eingebunden. Diese schließt ein radikales Umschwenken, was Frankreichs Staatsausgaben betrifft, schlicht aus. Zwar hat unser Nachbar von Brüssel gerade Ende Februar zwei Jahre Aufschub erhalten, um seinen Haushalt in Ordnung zu bringen. Jedoch sind dieses Jahr vier Milliarden EUR Einsparungen fällig. Das Geld, das Griechenland via diversen Rettungsmaßnahmen schuldet, schuldet es auch dem französischen Steuerzahler – um die 40 Milliarden EUR. Nicht gerade eine Kleinigkeit, selbst wenn die französische Libération den zu erwartenden Verlust klein redet (Tenor – Staatsschulden würden sowieso nie zurückgezahlt. Na dann...).

...auch an den Hut?

Zum zweiten hat sich Frankreich nach langem Ringen 2013 für eine sozialdemokratische Wirtschaftspolitik entschieden. Im Wettlauf mit der Zeit (eine breite Mehrheit der sozialistischen Partei sträubt sich sowohl gegen Reformen als auch gegen Budgetdisziplin) soll durch Liberalisierung der Wirtschaft und durch unternehmerfreundliche Maßnahmen Wirtschaftswachstum erzeugt werden. Leider im wahrsten Sinn antizyklisch: Daheim und in den europäischen Nachbarländern geraten solche Vorhaben zunehmend in parlamentarische und außerparlamentarische Kritik.

Was den dritten Punkt, eine alternative französische Europapolitik, betrifft - Es sei einmal dahingestellt, ob Frankreich sich tatsächlich zum Wortführer der Austeritätsgeplagten, der „südlichen Länder“ der EU machen möchte. Wäre das nicht ein Abstieg, vom deutsch-französischen Tandem, dem sogenannten „Motor Europas“ in die zweite Liga der Euro-Müden und -Lahmen?

Weiterhin in Mode?


Bis jetzt sind also Frankreichs Positionen zur neuen Regierung in Griechenland eher taktischer Natur. Im Spagat zwischen Wahlvolk, Parteibasis,  „Loi Macron“ und „Six Pack“  liebäugelt man schon mal mit „Podemos“ oder „Syriza“, mögen solche Posen auch zuweilen olympiareife gymnastische Züge annehmen.  Ein radikaler Kurswechsel steht nicht bevor. 2015 wird jedoch mit Wahlen in Spanien und Portugal sicher für Gesprächsstoff sorgen. In einem solchen Klima der Spannungen treten bislang versteckte Ambivalenzen in der Vordergrund, zum Beispiel, was das Verhältnis zur EU und seinem Herzstück, dem gemeinsame Binnenmarkt betrifft. Doch davon in einem nächsten Blog-Post...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen