“Wir
sind alle Griechen” - Wirklich?
(Solidaritätskundgebung
mit Griechenland aus dem Jahr 2012, Photo Reuters)
Nach dem Ausgang der
Parlamentswahlen in Griechenland vom 25. Januar 2015 frohlocken die linken
Kräfte Europas. So auch in Frankreich: Endlich wird Europa das Joch der von
Deutschland aufgezwungenen Austeritätspolitik abschütteln. Endlich werden
staatliche Investitionsprogramme das Wachstum ankurbeln. Und endlich wird Frankreich
bei der Gestaltung der Europapolitik wieder eine Führungsrolle einnehmen!
Michel Sapin,
französischer Finanzminister, lud Anfang Februar seinen griechischen Kollegen
Yanis Varoufakis nach Paris und sprach ihm seine Unterstützung zu. Frankreich
müsste ein Bindegliedsfunktion zwischen griechischen und europäischen Anliegen
einnehmen. Am darauffolgenden Mittwoch,
den 04. Februar, empfing François Hollande den frischgekührten
Ministerpräsidenten Alexis Tsipras mit allen Ehren im Elysée Palast. Der
französische Präsident erinnerte an europäische Regeln und Verpflichtungen,
zeigte sich aber bereit, ganz wie François Mitterrand seinerzeit mit Andreas
Papandreou, die Griechen bei der Suche nach einer europäischen Lösung der
griechischen Schuldenfrage zu unterstützen.
...Zum Anstecken
Doch kann Frankreich
aktuell tatsächlich eine alternative Position in der EU einnehmen? Dagegen
spricht allerhand: Der gemeinsame Kurs der EU in Sachen Wirtschafts- und
Währungsunion, die aktuelle französische Wirtschaftspolitik, und nicht zuletzt
die Selbstwahrnehmung Frankreichs als führendes Land Europas. Zusammengenommen
eine enorme Menge an investiertem politischem Kapital, das man getrost als
„sunk costs“, versunkene Kosten, bezeichnen kann.
Hinsichtlich seiner
Wirtschafts- und Finanzpolitik ist Frankreich fest in die kommunautäre Architektur einer
gemeinsamen Wirtschafts- und Währungspolitik eingebunden. Diese schließt ein radikales Umschwenken, was
Frankreichs Staatsausgaben betrifft, schlicht aus. Zwar hat unser Nachbar von
Brüssel gerade Ende Februar zwei Jahre Aufschub erhalten, um seinen Haushalt in
Ordnung zu bringen. Jedoch sind dieses Jahr vier Milliarden EUR Einsparungen
fällig. Das Geld, das Griechenland via diversen Rettungsmaßnahmen schuldet,
schuldet es auch dem französischen Steuerzahler – um die 40 Milliarden EUR. Nicht gerade eine Kleinigkeit, selbst wenn die
französische Libération den zu erwartenden Verlust klein redet (Tenor – Staatsschulden würden sowieso nie
zurückgezahlt. Na dann...).
...auch an den Hut?
Zum zweiten hat sich
Frankreich nach
langem Ringen 2013 für eine sozialdemokratische Wirtschaftspolitik entschieden. Im Wettlauf mit der Zeit (eine breite Mehrheit der
sozialistischen Partei sträubt sich sowohl gegen Reformen als auch gegen
Budgetdisziplin) soll durch Liberalisierung der Wirtschaft und durch
unternehmerfreundliche Maßnahmen Wirtschaftswachstum erzeugt werden. Leider im
wahrsten Sinn antizyklisch: Daheim und in den europäischen Nachbarländern
geraten solche Vorhaben zunehmend in parlamentarische und außerparlamentarische
Kritik.
Was den dritten Punkt,
eine alternative französische Europapolitik, betrifft - Es sei einmal
dahingestellt, ob Frankreich sich tatsächlich zum Wortführer der
Austeritätsgeplagten, der „südlichen Länder“ der EU machen möchte. Wäre das
nicht ein Abstieg, vom deutsch-französischen Tandem, dem sogenannten „Motor
Europas“ in die zweite Liga der Euro-Müden und -Lahmen?
Weiterhin in Mode?
Bis jetzt sind also
Frankreichs Positionen zur neuen Regierung in Griechenland eher taktischer
Natur. Im Spagat zwischen Wahlvolk, Parteibasis, „Loi
Macron“ und „Six
Pack“ liebäugelt man schon mal mit „Podemos“
oder „Syriza“, mögen solche Posen auch zuweilen olympiareife
gymnastische Züge annehmen. Ein radikaler Kurswechsel steht nicht bevor.
2015 wird jedoch mit Wahlen in Spanien und Portugal sicher für Gesprächsstoff
sorgen. In einem solchen Klima der Spannungen treten bislang versteckte
Ambivalenzen in der Vordergrund, zum Beispiel, was das Verhältnis zur EU und
seinem Herzstück, dem gemeinsame Binnenmarkt betrifft. Doch davon in einem
nächsten Blog-Post...
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